Eigeninitiative

13. Jul 2023

Lehrpersonen sind immer froh, wenn ihre Schülerinnen und Schüler Eigeninitiative zeigen – sich melden, Vorschläge bringen, ihre Meinung äussern... KOLUMNE VON ANNIC BERSET

Lehrpersonen sind immer froh, wenn ihre Schülerinnen und Schüler Eigeninitiative zeigen – sich melden, Vorschläge bringen, ihre Meinung äussern. Das soll auch mit kleinen Projekten gefördert werden, die sich die Lernenden – in diesem Fall Jugendliche kurz vor dem Abschluss ihrer obligatorischen Schulzeit – selbst ausdenken und die sie selbst organisieren und planen sollen. Als es an der Tür des Arbeitszimmers klopft, öffne ich nichts ahnend. Vor der Tür stehen zwei junge Frauen. Die beiden stillen Schülerinnen haben offenbar ausserhalb des Unterrichts die Initiative ergriffen und ein solches Projekt angepackt. Im Schulhaus übernachten, das fänden sie toll, erzählen sie mir. Freiwillig solle die ganze Aktion natürlich sein. Und sie wollten Karaoke anbieten. Und Pizza. Und gemeinsam einen Film schauen. Und dann im Klassenzimmer auf selbst mitgebrachten kleinen Matten schlafen. Die beiden sind mittlerweile in Fahrt gekommen und schauen mich erwartungsvoll an. «Was sie wohl von mir wollen könnten?», überlege ich mir. Ob ich – was? Über Nacht im Schulhaus bleiben könnte? Dort übernachten? Es gäbe ja schliesslich ein Sofa im Arbeitszimmer der Lehrpersonen. Ich schlucke und schaue nach hinten. Das schwarze Ledersofa mit den starren Armlehnen blickt grimmig zurück. «Bitte», sagen die zwei Schülerinnen. Eine zweite Lehrperson habe schon zugesagt, unter der Bedingung, dass sie nicht alleine dableiben müsse. Natürlich lasse ich mich erweichen. Am besagten Tag komme ich mit Sack und Pack zur Schule, klar habe ich meine eigene Decke und mein Kissen mitgebracht. Als es eindunkelt und wir unsere Pizza von den euphorischen Jugendlichen erhalten, gratuliere ich mir zu meiner Bereitschaft zur Unterstützung. Als ich mich schliesslich hinlege und versuche, meinen Kopf auf der starren Armlehne irgendwie zu drapieren, verfluche ich sie. Die Nacht bleibt kurz, natürlich. Mehrmals klopft es, nebenan im Klassenzimmer gibt es Unstimmigkeiten. Irgendwann döse ich ein – um dann wenig später mit einem steifen Nacken aufzuwachen. Weshalb mache ich das genau? Morgens um sechs habe ich den Grund vergessen. Morgens um sieben packe ich meine Sachen zusammen, um nach Hause zu fahren. Da stehen erneut die beiden Schülerinnen vor der Tür. Einen ganz schönen Tag wünschen sie mir – auch ein bisschen verschlafen, aber sehr zufrieden mit sich und der Welt. Und sie wollten mir noch etwas sagen: «Vielen vielen Dank, dass Sie das gemacht haben, echt super», sagen sie. Und da fällt es mir wieder ein – wie soll ich zu sowas auch nein sagen? //