Interview mit Urs Bucher

02. Apr 2024

Interview mit Urs Bucher

In Basel möchte ein Komitee von Lehrpersonen wieder Förderklassen einführen. Urs Bucher, der dortige Leiter Volksschule, erklärt im Interview, warum er das keine gute Idee findet und wie das Erziehungsdeparte- ment die integrative Schule mit einem eigenen Massnahmenpaket im Umfang von 13,8 Millionen Franken stärken möchte. Interview: Michael Zollinger

Herr Bucher, seit 2011 integriert Basel-Stadt im Grundsatz alle Kinder in die Regelschule. Was ist seither passiert?

2011 bedeutete ein Paradigmenwechsel. Wir stellen zwar in der Volksschule noch immer Diagnosen, aber wir bestimmen daraufhin den Förderbedarf und entscheiden, was das Kind im Einzelnen benötigt. Es gibt Kinder mit einem geringen zusätzlichen Förderbedarf, die die normale Schule problemlos durchlaufen, dann gibt’s diejenigen mit einem erhöhten und schliesslich jene mit einem starken Förderbedarf. Entsprechend unterteilen wir in einem Kaskadenmodell in drei Stufen. Basel ist mit gutem Beispiel vorangegangen
und hat die integrative Schule früh vorangetrieben. Bis heute sind wir da nicht schlecht aufgestellt. 

Ein Teil der Basler Lehrpersonen sieht das anders und hat im August 2022 die Förderklassen-Initiative eingereicht. Sie finden, dass das heutige System an Grenzen stösst. Ziel ist die Wiedereinführung von Förderklassen. Auch zwei Drittel der Freiwilligen Schulsynode (FSS)der Stadt Basel unterstützen die Initiative. 

Es bestreitet niemand, dass die integrative Schule teilweise an Grenzen stösst. Es gibt auf jeden Fall Handlungsbedarf. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Wir haben heutzutage viel mehr Schülerinnen und Schüler mit einem höheren Förderbedarf als noch vor zehn Jahren. Es gibt ganz offensichtlich einen gewissen Druck auf verschiedenen Ebenen, der sich auf das Schulsystem auswirkt. Die zwei Drittel der FSS, die für die Förderklassen-Initiative sind, würde ich allerdings relativieren.

Urs Bucher ist seit dem 1. August 2020 Leiter Volksschulen in Basel-Stadt. Zuvor war er während acht Jahren Vorsteher des Amts für Volksschulen und Sport im Kanton Schwyz. 2007 bis 2011 leitete er die Schweizer Schule in Madrid. Er hat in Lausanne und Mexiko Germanistik, Hispanistik, Soziologie und Anthropologie studiert und war ursprünglich Gymnasiallehrer. Bucher ist 58-jährig, verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.

Bild Urs